Granite Ride, 15.09.2018
Bevor ich euch über meinen Granite Ride vom 15.09.2018 berichte muss ich etwas ausholen, denn ich bin ja quasi Wiederholungstäter. Nein, nicht Wiederholungstäter beim Granite Ride, der findet ja dieses Jahr zum ersten Mal statt. Nein, Wiederholungstäter bei «Wieviel Motorrad fahren kann man in einem Tag». Grundsätzlich starte ich jedes Jahr einmal zu einer Tagestour bei der ich 800 bis 1000km zurücklege, selbstverständlich mit der Autobahn nur als Zu- und Wegfahrt. Auch bei den Swiss500miles bin ich schon mitgeritten oder spontan am Samstag Morgen in den Bayrischen Wald gedonnert um am Elefantentreffen zu übernachten. Vor zwei Jahren habe ich eine solche Tagestour intensiv und live auf Social Media dokumentiert. Dies hat eine rege Zuschauerschaft dazu beflügelt in den Kommentaren mit zu fiebern und Rätsel zu raten wie weit ich wohl noch fahren werde, welche Pässe ich noch in Angriff nehme und ob ich überhaupt zu stoppen bin. Dies hat mir Übernamen wie «Marathon Man» oder «Rocket Man» eingebracht (btw. Ich glaube es gab Leute die an diesem Tag nicht gearbeitet haben und ich im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stand). Nun aber genug des Eigenlobs und der Erzählungen vergangener Fahrten.
Als ich nun dieses Jahr vom Granite Ride erfuhr war für mich klar; da macht der Frosch mit! Aber 48 Stunden, wo bleibt dann da die Herausforderung? Also das geht auch gut innerhalb von 24 Stunden und sogar das will ich unterbieten. Mein Ziel ist es die vorgegebene Strecke mit ihren 1000km innerhalb von 16 Stunden hinter mich zu bringen. Da geteiltes Leid halbes Leid ist habe ich mit Valentin auch schnell einen Mittäter gefunden der sich mit mir zusammen den 1000km in 16 Stunden stellen will.
Für gewöhnlich nehme ich für solche Touren meine treue und altgediente Buell XB12Ss, welche nun auch schon stolze 73’000km auf der Uhr stehen hat. Doch so eine Tour startet man nicht blindlings morgens aus der Garage, da gibt’s zuerst noch ein wenig Vorbereitung wie zum Beispiel eine saubere Routenplanung und natürlich ein wenig Liebe für’s Motorrad. Bei meiner Buell im speziellen müssen neue Gummis drauf. Die verbauten machen mit Garantie keine 1000km mehr mit. Gesagt getan, zwei Tage zuvor bei einem Freund neue Pneu montiert und wieder nach Hause. Am Vorabend dann noch die gängigen Ersatzteile einpacken und zur Tankstelle um den Tankrucksack mit Getränken und Proviant zu füllen, und natürlich um zu tanken! Denkste, ich schieb die Buell aus der Garage, was mir ziemlich schwerfällig vorkommt. Ein Blick auf den Vorderreifen bringt ernüchternde Klarheit – Reifen platt. Der neue Reifen schon platt. Kacke! Gottlob befolge ich ja die alte Motorradweisheit «Die korrekte Anzahl Motorräder die man besitzen sollte ist n+1» und sattle somit auf meine XT660R um. Die Gute hat mich diesen Sommer sang- und klanglos 4400km durch den Balkan getragen. Als Reaktion darauf gab’s auch für sie diese Woche einen neuen Hinterreifen. Jetzt darf sie mich auf der nächsten Herausforderung begleiten. Der Vorteil ist zweifellos, dass ich keine Ersatzteile mitführen muss. Also los an die Tanke und auffüllen was aufzufüllen ist.
So ist es nun Samstag um halb vier Uhr in der Früh als es vorm Haus mächtig bollert. Valentin ist da, seine Buell hat keinen Platten, was den Lärm erklärt. Da wir uns die 16 Stunden als Ziel gesetzt haben wollen wir auf den Etappen zwischen den Zwischenzielen über die Autobahn fahren. So starten wir ab Thalwil auf der Bahn in Richtung Niederurnen und dann hinein in den Zigerschlitz. Der Morgen ist kühl und die Strasse vom nächtlichen Regen nass. Vom vorausfahrenden Lastwagen wird viel Wasser aufgewirbelt und wir überholen ihn bei der nächsten Möglichkeit. Beim Aufstieg zum Urnerboden fahren wir leider in dicken Nebel ein. Als wir um halb vier losfuhren gab das Navi als Ankunftszeit noch 19:26 Uhr an, jetzt haben wir schon die ersten wertvollen Minuten verloren und unser ambitioniertes Ziel wird schwieriger zu erreichen. Leider zieht sich der Nebel über den ganzen Pass und wir kommen nur schleppend voran. Den Strassenverlauf erraten wir grösstenteils. Zum Glück sehen wir nichts wo’s runter geht. Und kalt ist es übrigens auch im Nebel. Glücklicherweise hat die XT, im Gegensatz zur Buell, Griffheizung auf die ich jetzt gerne zurückgreife.
Von Altdorf aus gehen wir wieder über die Bahn bis Wasen und von da aus über den Susten. Leider hat es auch auf dem Susten Nebel und wir verlieren weitere Minuten. 19:46 sagt das Navi. Im Osten wird der Himmel langsam heller und der neue Tag kündet sich an als wir durch das noch tief schlafende Steingletscher fahren. Von Innertkirchen geht es auf schnellstem Wege in Richtung Spiez wo wir den ersten Tankstopp einlegen müssen und einen Kaffee trinken um die Kälte zu vertreiben. «Ihr schaut wie Motorradfahrer aus. Kann ich das Öl in die Kawa meiner Frau kippen? » fragt uns ein Herr und streckt uns eine Flasche Motorenöl 10W-40 für PWs entgegen. «Wir starten zu einer Tour nach Italien» erklärt er sich. Wir antworten ihm, dass es wohl gehen wird mit diesem Öl, besser als keines ist’s allemal. Als der Herr davongegangen ist, samt Ölflasche, amüsieren wir uns darüber, dass man wohl sich ein wenig früher Gedanken um seinen Töff machen sollte und Öl etc. kontrolliert.
Mittlerweile ist es hell geworden und wir machen uns auf das Simmental zu bezwingen und über den Jaun zu fahren. Das Navi sagt 20:07. Ja, tanken und Kaffee brauchen Zeit. Als wir die Rampe zum Jaun hochfahren klettert die Sonne über die Berggipfel und wir erfreuen uns ab den ersten wärmenden Strahlen die uns treffen. Es geht weiter über’s Zwischenziel Bulle und in Richtung Château d’Oex als Valentin mich kurz vor Montbovon überholt und etwas gestikuliert, dabei auf den Display seiner Buell zeigt und in Montbovon an den Strassenrand fährt. Ich frage Valentin was los sei, ob die Motorleuchte an sei? Nein, entgegnet er, es ist die Ölleuchte. Ein kurzer Blick in den Öltank bringt ernüchternde Wahrheit – der Ölstab ist furztrocken. Ich schwanke kurz zwischen Amüsiertheit und Genervtheit, insbesondere dadurch, dass der Herr mit der Ölflasche immer noch sehr präsent in meinem Kurzzeitgedächtnis steckt. Nach kurzer Beratung und Konsultation von Google Maps sind wir uns einig, dass ich zurück nach Bulle fahre um Öl für Valentins Buell zu besorgen. 20:46 saht das Navi nachdem ich von Bulle zurück bin und der Öltank der Buell wieder voll ist. 40min Zeitverlust, das schmerzt. Die Hoffnung die 16 Stunden noch zu erreichen ist weg. Schade. Trotzdem wollen wir in zügigem Tempo weiter und nehmen den Col de Mosses in Angriff. Doch von wegen zügig. Der ersten Motorradfahrer der uns entgegen kommt signalisiert uns langsam zu fahren. Wir vermuten die Rennleitung samt Laserpistole hinter dem nächsten Baum. Aber nein, wir sind in einen Alpabzug geraten. Gemächlich, glockenbehangen und mit blumigem Kopfschmuck wird uns eine Herde Kühe entgegengetrieben. Das Schauspiel ist nur von kurzer Dauer und der Zeitverlust der uns das Navi angibt beträgt nur zwei Minuten. Doch die Weiterfahrt ist nicht von langer Dauer. Nach wenigen Kilometern kommen wir an das Rotlicht einer Baustelle. Es ist nicht nur rot, sondern macht uns auch eine Bäuerin darauf aufmerksam, dass uns hier bereits der nächste Alpabzug entgegenkommt und wir doch bitte warten. Auch hier ist die Wartezeit nur kurz und wir können nach etwa fünf Minuten weiterfahren. Dann Passhöhe, Aigle, Autobahn das Wallis runter (was leider wirklich unspektakulär ist) und der nächste Tankstopp, inklusive Mittagspause (Heisst so viel wie Sandwich von der Tanke), in Gampel-Steg. Es ist kurz nach Mittag und wir haben die ersten 500km hinter uns. Wir fahren weiter in Richtung Furka wobei ich mich gar nicht mehr traue auf dem Navi zu schauen wohin sich unsere Ankunftszeit verschoben hat. Ohne Zwischenfälle bringen wir den Furka hinter uns, durchqueren Andermatt und nehmen den Oberalp in den Angriff. Auch hier wird uns wieder signalisiert langsam zu fahren, also fahren wir in gemütlichem Tempo der Passhöhe entgegen. Jedoch treffen wir widererwarten auf die Polizei oder einen Alpabzug. Nein, auf den Alpabzug treffen wir erst wieder in Disentis als wir zum Lukmanier abbiegen wollen. Gottseidank beschränkt sich die Wartezeit auch hier nur auf 10min. Habe ich doch von anderen Granite Ridern gelesen die 1.5 Stunden ausharren mussten.
Ein Ärgernis, dass am Lukmanier aber seinen Anfang nimmt sind die Baustellen und Rotlichter über die Pässe von hier bis durch das ganze Engadin. Besonders im Tunnel kurz vor der Passhöhe ist das Rotlicht gefährlich hinter einem Bogen gesetzt.
Wir lassen den Lukmanier hinter uns und begeben uns in Biasca auf die Autobahn bis Mesocco. Warm ist es im Tessin, sau warm und ich bin froh um jeden Höhenmeter den wir in Richtung San Bernadino wiedergewinnen. Sämtlichen 16h-Ambitionen zum Trotz verlassen wir in Mesocco die Autobahn um den San Bernadino-Pass in seiner vollen Pracht geniessen zu können. Wir schlängeln uns die enge Hauptstrasse nach Pian San Giacomo und weiter ins Örtchen San Bernadino hoch. Hier werden Angsträndchen gekillt und die maximale Schräglage voll ausgenutzt. Schade konnte ich nicht mit meiner Buell kommen. Das permanente Dröhnen und Bollern von Valentins Buell hinter mir versetzt mir einen Stich ins Herz. Besonders am Kurvenausgang, wenn ich merke, dass er mit dem doppelten Hubraum und doppelter Leistung heftig von hinten anschiebt. Doch meine XT macht ihren Job gut und ist keine leichte Gegnerin. Das merken auch die anderen Töfffahrer am Pass die wir allesamt hinter uns lassen. In San Bernadino selbst steht der nächste Tankstopp an und es ist nun doch schon drei Uhr am Nachmittag. Die Passhöhe lassen wir in Rekordzeit hinter uns und fahren auf der Hauptstrasse durch Rofla- und Viamalaschlucht bis nach Thusis. Nur vier Minuten Zeitverlust gegenüber der veranschlagten Zeit auf der Autobahn. Das kann sich sehen lassen.
Wir biegen ab Richtung Tiefencastel und bollern den Julier hoch, meiner Meinung nach eine Autobahn über den Berg. Danach zieht es sich das Engadin entlang bis nach Zernez und weiter nach Susch. Wir merken die ca. 800km und etwa 14 Stunden Fahrzeit die bereits hinter uns liegen. Bei den vielen Baustellen und Rotlichtern, auch jene den Flüela hoch, setzen wir uns mittlerweile ohne schlechtes Gewissen und falsche Scham jeweils vor das vorderste Fahrzeug und ziehen am Gas kaum steht die Ampel auf Grün.
Die Sonne verschwindet langsam wieder hinter den Bergen als wir das Prätigau runterfahren und in Landquart die Autobahn bis ins Rheintal nehmen. Der letzte Tankstopp steht an, 22:00 Uhr sagt das Navi, 200km noch zu fahren. 22:26 sagt das Navi nach Tankstopp bei dem wir uns noch einen Kaffee gönnen. Mittlerweile ist der Tag der Nacht gewichen und wir fahren in der Dunkelheit in Richtung Wildhaus und Neu St. Johann. Ja, ab hier zieht es sich. 1000km in einem Tag sind eben nicht ohne. Und anstatt nun auf schnellstem Wege nach Hause zu kommen wartet noch die Schwägalp und der Schlenker über Appenzell auf uns. Als wir dann zur Schwägalp abbiegen scheint Valentin von der Tarantel gestrochen zu sein. Er zieht links an mir vorbei und verschwindet mir seiner Buell vor mir in der Dunkelheit. Erst nach dem Pass wartet er wieder auf mich und wir nehmen die letzte Teilstrecke gemeinsam in Angriff.
Um 22:27 Uhr sind wir dann wieder bei mir zuhause in Thalwil, 1136km, 16h28min effektive Fahrzeit, exkl. Pausen. Meine Arschbacken sind durchgesessen, meine rechte Schulter steif und ich bin todmüde aber glücklich. Die 16 Stunden Marke haben wir leider verpasst. Hauptsächlich wegen des unnötigen Öl-Zwischenfalls, aber sei’s drum, es ist ja kein Rennen.
Abschliessend bleibt mir zu sagen, es hat Spass gemacht, gerne wieder. Doch 48 Stunden sind in meinen Augen keine Challenge, 24 Stunden aber auf jeden Fall. Auch wenn man sowas schon mal gefahren ist, ein Klacks ist es nicht. Ein bisschen Kritik muss leider auch noch sein. Die Streckenführung fand ich ein wenig uninspiriert, besonders mit dem langen Part im Wallis. Da lassen sich schönere Strecken kombinieren, wenn man auch mal über die Grenze fährt mit z.B. Splügen – Maloja oder Bernina – Livingo, Umbrail – Ofen oder auch wenn man noch was in der Jurakette macht die unzählige kleinere aber wunderschöne Pässe zu bieten hat. Ich hoffe auf einen Granite Ride V2 mit andere Streckenführung und etwas mehr Herausforderung und bedankte mich bis dahin trotzdem ganz herzlich bei den Organisatoren für den Aufwand, die tolle Homepage, die super Idee und vor allem dafür, dass ihr was macht uns ins Leben ruft während dem ich hier bloss eine blöde Klappe habe.